Unser Gast - Claudia Aryus
After several years of experiences as a communication specialist, in her current role Claudia is supporting SEAT S.A. to become an agile and value driven company. For her, diversity in teams and a clear understanding of roles & responsibilities are success factors to effectively create sustainable products. She is focusing on adding value by building high-performance teams with a collaborative mindset and, by that accelerating cultural change.
Before she moved to Spain, she facilitated the agile transformation at Audi IT and collected experiences as an Executive Assistant at Volkswagen. Adapting fast to changing conditions is one of her superpowers, that was also required to organize top management events as well as hackathons during her time as IT Event and Communication lead at Volkswagen.
She studied Media Management and holds an MBA in Communication and Leadership. Besides that she is a mentor for female young leaders, member of the PANDA network and an international keynote speaker. She loves surfing and freestyle cooking, as well as travelling the world with her yoga mat.
INTRO
Nicht zuletzt dank sozialer Netzwerke wie Linkedin erfährt Mentoring zurzeit einen krassen Hype, denn gefühlt hat jeder Dritte „Mentor“ in ihrer oder seiner Profilbeschreibung. Meine Erfahrung in Mentoren-Netzwerken zeigt, dass es eher einen Überhang an Mentoren zu geben scheint, obwohl einem doch empfohlen wird, sich einen Mentor zu suchen. Aber was ist das eigentlich – ein Mentor, weshalb diese Rolle für mich vor allem außerhalb des Business-Kontextes relevant ist, warum eher Mentees gesucht, aber Mentoren gefunden werden und warum mich ein klein wenig Recherche so erstaunt hat hört ihr im Podcast.
KEEP CALM… and ask your mentor.
MENTORING. Für mich ist dieser Begriff schon seit ein paar Jahren in meinem Sprachgebrauch verankert, da ich meinen damaligen Chef irgendwann als Mentor bezeichnet habe. Ehrlicherweise weiß ich nicht, ob wir jemals die Mentor-Mentee Beziehung institutionalisiert haben. Sie war und ist vorhanden und hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt. Ein paar Jahre später – mitten in der Corona Zeit – hatte ich das Gefühl, mich aus meiner Home Office Blase heraus zu bewegen und neben endlosen Afterwork-Sessions außerhalb meines Arbeitsalltags „etwas Sinnvolles zu tun“. Mir wird nachgesagt, dass ich gut mit Menschen kann und meine Meinung geschätzt wird. Irgendwie lag da Mentoring nahe, zumal ich mittlerweile eher Senior als Junior bin und einiges an Führungserfahrung in Konzernen sowie im Begleiten von Transformationsprozessen mitbringe. Zudem engagiere ich mich bei PANDA, einem deutschen Frauennetzwerk und wie der Zufall es will, wurde genau zu dieser Zeit ein Female Mentoring Programm pilotiert. Ich fand die Idee spannend, über einen Matching-Algorithmus „verdated“ zu werden und ohne groß nachzudenken war mir klar: Cool. Probierste mal. Und tatsächlich, ein paar Wochen später meldetet sich meine erste Mentee bei mir: Kristina.
Dank der pilotierten Mentoring-Plattform hat man einen sehr klaren Fahrplan, welche Themen man gemeinsam in den Sessions abarbeitet. Das haben wir nach der zweiten Session ad acta gelegt, denn bei uns hat sich ziemlich schnell ein Flow ergeben. Von vornherein waren unsere Rollen abgegrenzt, Erwartungshaltung geklärt und vor allem passte es auf zwischenmenschlicher Ebene. Kristina hatte konkrete Fragestellung, die wir gemeinsam gechallenged haben, immer auf Augenhöhe. Ich habe von meinen Erfahrungen berichtet, meine Meinung geteilt, Feedback gegeben und durch Fragen sowie Nachfragen andere Blickwinkel ermöglicht, ohne konkret Lösungsvorschläge anzubieten. Denn die muss der Mentee für sich selbst finden – Mentoren begleiten auf dem Weg, so mein Verständnis.
Dank meines Netzwerks konnte ich Kristina sogar die Tür für eine neue berufliche Herausforderung öffnen und selbst nach knapp zwei Jahren legen wir hin und wieder eine Mentoring-Session ein. Einfach, weil wir uns wohl fühlen in unseren Rollen und die Meinung, aber auch kritisches Feedback des anderen sehr schätzen. Es liefert uns einen Mehrwert.
Zurzeit begleite ich zwei weitere Mentees mit unterschiedlichen Hintergründen und Erwartungen und folge einem ähnlichen Muster: Wir haben uns jeweils über offizielle Plattformen –einmal außerhalb und einmal innerhalb meines Unternehmens, gefunden. Die Mentees gehen den ersten Schritt und entscheiden sich pro-aktiv für einen Mentor und auch im Verlauf des Mentoring sind sie der treibende Part des Austausches. Die Rollen sind klar und in der ersten Session haben wir konkret die gegenseitige Erwartungshaltung abgeglichen sowie mögliche Themen abgesteckt. Für mich hat es sich bewährt, dass die Mentee ins Lead geht. Je konkreter die Problemstellung oder der Bereich, in dem sie Feedback braucht, desto gezielter kann ich unterstützen. Gerade in der Kennlernphase hat sich ein Austausch aller zwei Wochen bewährt, mit der Zeit wird die Frequenz weniger, aber der Fokus konkreter. Nach den Gesprächen bitte ich um Feedback um zu wissen, ob ich etwas ändern muss, um den Austausch noch wertschoepfender zu gestalten. Eigentlich kein Rocket Sciences, dachte ich.
Falsch. Denn das Thema Mentoring ist eine ganze eigene Welt! Dank Ralf und seiner Podcast Anfrage habe ich mich an einem Wochenende hingesetzt, um mich mit dem Begriff auseinander zusetzen… ich hab’s gegoogelt. Verrückt. Dachte ich doch, dass der Begriff Mentor aus dem ganzen Coaching Hype heraus entstanden und definiert ist. Nope. „Mentor“ ist eine Rolle in Homer´s „Odysseus“, in der die personifizierte Göttin Pallas Athene seinem Sohn und seiner Frau während seiner Abwesenheit zur Seite steht. Hier übrigens nachzulesen.
Ab da zieht sich diese Rolle durch die Geschichte und spiegelt aus meiner Sicht zum Teil die gesellschaftliche Entwicklung im Kontext Feminismus wider (da bin ich aber auch sensibilisiert 😊).
Denn in Mentoring-Beziehungen wurden und werden traditionelle Geschlechterrollen abgebildet sowie Hierarchien, Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse reproduziert. Mit anderen Worten: vor allem in Konzernen und Unternehmensberatungen – also dort, wo man über Hierarchie Erfolg definiert, werden Mentoring Programme eingesetzt, um Karriereleitern zu klettern und dass vermehrt dank Vater-Sohn Beziehungen. Genau mein Thema, dachte ich und bin dann auf einen weiteren interessanten Aspekt zum Thema Abgrenzung gestoßen: „Weibliche Mentees werden eher gecoacht, männliche aktiv unterstützt“. Denn was sich bei Mentoring-Programmen in der Theorie gut anhört, ist laut Studien in der Praxis wohl eher ein fail, so die Recherche von Dr. Burkhart. Denn auch hier zeigt sich, dass obwohl Frauen mehr Mentoren in Anspruch nehmen als Männer (zum Vergleich 83% vs. 76 %), werden Männer 15% häufiger befördert als ihre weiblichen Kolleginnen. Aber warum? Männer werden eher gesponsert – also aktiv für höherwertigere Jobs, Promotionen etc. positioniert und gepushed, während Frauen gecoacht werden. Hierzu auch ein Querverweis aus der Geschichte: der Philosoph Edmund Husserl hat als Doktorvater seine Doktorandin Edith Stein, die mit <summa cum laude> promoviert hat, zur persönlichen Assistenz gemacht, aber ihr die Habilitation verwehrt. Da hat sich bis heute doch gar nicht so viel verändert…
Coaching – Sponsoring – Mentoring: was denn nun oder “same same, but different”?
Was man beim Surfen durchs Netz findet ist, dass Mentoring als zwischenmenschlich langfristig meist informell ausgelegte Beziehung aufgefasst wird, die sich auf die professionelle, aber auch persönliche Entwicklung des Mentees fokussiert, in dem der meist erfahrenere Mentor sein Wissen, Netzwerke und Erfahrung zur Verfügung stellt. Im Gegensatz dazu ist die Beziehung zu einem Coach formell, spezifisch und zielorientiert. Sobald das Ziel erreicht ist, wird die Beziehung neu bewertet. Ein Coach unterstützt, dass alte Muster kritisch überprüft, neue Strategien erprobt und die eigenen persönlichen Ressourcen genutzt werden, um die abgesteckten, konkret gesetzten Ziele zu erreichen.
Sponsoren sind im allgemeinen Verständnis Senior Manager mit Einfluss im meist beruflichen Umfeld und kämpfen um die klassische Weiterentwicklung ihres Mentees, in dem sie für Sichtbarkeit sorgen, bei Gelegenheiten positionieren, beim politischen Navigieren unterstützen und vor negativen Situationen und Kontakten schützen.
Zumindest mir hilft diese Abgrenzung, mein eigenes Mentoring-Verständnis zu reflektieren und bewusster Grenzen zu setzen. Sobald ich das Gefühl habe, dass professionelle Hilfe notwendig ist, adressiere ich das. Außerdem mache ich mir in jedem Gespräch die Verantwortung der Rolle als Mentors bewusst, denn durch das aufgebaute Vertrauensverhältnis habe ich durchaus Einfluss auf Entscheidungen – wenn auch implizit. Und das ist ein wichtiges Learning: ich liefere keine Lösung für Probleme, sondern helfe, die eigene Lösung zu finden.
Aber was hat Mentoring mit “Scrum Mastern“ zu tun? Hier meine 2 Cents: es geht um Menschen und wenn man sich selbst als „Produkt“ versteht, dann braucht es verschiedene Rollen, um sich zu entwickeln. Mentor, Coach und Sponsor sind drei davon. Jede Rolle hat ihre Aufgabe und trägt Verantwortung, aber immer gemeinsam ausgerichtet an der eigenen Vision.
Und zum Schluss ein kleiner Appel:
Liebe Mentor:innen vor allem weiblicher Mentees : checkt mal, ob es sich lohnt, in die Rolle eines Sponsors zu schlüpfen, denn gerade Frauen können oft so viel mehr rocken, als sie es sich vielleicht selbst zutrauen und dafür braucht es kein Coaching sondern Chancen.
- Vom Mythos zum Frauenförderungskonzept – ein Streifzug durch die Geschichte des Mentorings (unibe.ch)
- Warum Mentoring bei Frauen nicht wirkt – Dr. Steffi Burkhart
- Vom Mythos zum Frauenförderungskonzept – ein Streifzug durch die Geschichte des Mentorings (unibe.ch)