Unser Gast zur digitalen Transformation
Elmar Seestädt
Elmar hat seinen Beruf zum Hobby gemacht. Als freier Dozent an der Hamburg School for Business Administration (HSBA) gestaltet er im M.Sc. Digital Transformation & Sustainability das Modul “Agiles Arbeiten”.
Als Berater für agile und digitale Transformation arbeitet er seit vielen Jahren mit Führungskräften in verschiedenen Unternehmen zusammen. Neben seiner Tätigkeit als Berater und Interim Manager war Elmar auch selbst als CDO in verantwortungsvoller Position. Durch diese Erfahrung hat er ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen entwickelt und versteht sich als Brückenbauer zwischen etablierten und modernen Geschäftsmodellen.
Was ist eine digitale Transformation?
Wenn man ins Wörterbuch schaut, dann ist Transformation die wesentliche Veränderung einer grundlegenden Eigenschaft. Demnach ist die digitale Transformation die Veränderung der digitalen Eigenschaften eines Unternehmens sein. Da stellt sich aber doch gleich die Anschlussfrage was ist “digital”? Und die Antwort ist – alles. Den Veränderungsprozess darf man nicht nur auf die Einführung einer neuen App oder eines digitalen Businesses beschränken kann.
Was heißt für Dich „alles“? Kannst Du konkrete Beispiele geben?
Neben “offensichtlichen” Themen, wie Führung, Kultur, Zusammenarbeit geht Transformation auch so weit z.B. Vergütungsmodelle zu überdenken. In klassischen Organisationen gibt es oft variable Vergütungsmodelle, die an jährliche Zielvereinbarungen geknüpft sind. Wissenschaftliche Studien haben jedoch gezeigt, dass eine direkte Verknüpfung von monetären Incentive zu kreativer Leistung negative Effekte in der Leistungsfähigkeit zu erkennen sind. Auch die jährliche Kadenz der meisten Vergütungs und Leistungsbeurteilungsmodelle ist nicht mehr zeitgemäß und führt zu einer oft sichtbaren Dysfunktion, dass kurz vor Ende des Jahres alle Mitarbeiter noch damit beschäftigt sind schnell Ziele zu erreichen, die sie zwar vor einem Jahr mal vereinbart haben, die aber für den Unternehmenserfolg oft gar nicht mehr so relevant sind. Diese Zeit steht dann für die wirklich wichtigen und dringenden Dinge in dem Moment nicht zur Verfügung.
Was macht eine digitale Transformation nicht trivial?
Eine erfolgreiche Transformation zieht sich durch das ganze Unternehmen.
Es reicht nicht entwicklungsteams zu agilisieren- an den Schnittstellen der Teams treten sofort Probleme auf wenn die „neue Welt“ auf die „alte“ Welt trifft. Nur eine Anzahl an Entwicklungsteams zu agilisieren führt zu lokaler Optimierung. Sicher wird das oft dazu führen, dass es „besser“ wird – allerdings kann kein Gesamtoptimum erreicht werden. HILTI hat in seiner Transformation sein Geschäft neu gedacht. Neben dem klassischen “höher, schneller, weiter” – technisch, leistungsoptimierten Vertriebs- und Prouktansatz gibt es einen Lösungsbasierten Ansatz. Es wurde ein Asset Management System gebaut, dass das Problem löst zu wissen, auf welchen Baustellen welche Maschinen sind. Und bewusst “Maschinen”, da sich auch Fremdprodukte über entsprechende Dongles in das System integrieren lassen. So wird eine komplett neue Zielgruppe adressiert, die im besten Fall dann die gut integrierten HILTI Maschinen mitkauft. Für das neue Geschäftsmodell wurde der “klassische” Vertrieb entsprechend incentiviert, so dass jeder im Unternehmen etwas von der Transformation und neuen digitalen Ansätzen hat.
Was hast du ausprobiert? Was hat sich bewährt?
Gerade im Kontext von traditionell geprägten Unternehmen hat es sich für mich bewährt zu versuchen eine Sprache zu sprechen, die im etablierten Teil des Unternehmens verstanden wird. Sehr wichtig dabei ist es überhaupt zu sprechen, den Dialog zu suchen. So habe ich als Interim Manager bei einem Hamburger Maschinenbauer im Dialog mit dem Konzerncontrolling ausgearbeitet, dass es nicht “Unwillen” der Agilisten ist, wenn wir keinen Zehnjahresentwicklungsplan, sondern eine bewusst risikomindernde Strategie ist nicht von Anfang an ein großes Budget zu beantragen. Also keine Salamitaktik, sondern ein Vorgehen, dass für Transparenz im Vorstand und Controlling sorgt und größere Handlungs- und Entscheidungsspielräume zulässt. Das Verständnis kann man jedoch nur über den Dialog und Gemeinsamkeit bewirken nicht über eine: “Jetzt zeigen wir Euch mal, wie die Welt heute funktioniert Attitüde.” Wer sich in einer Digitaleinheit so benimmt, hat schon verloren.
Kannst Du auch Beispiele im technischen Umfeld geben?
Auch hier habe ich ein ganz konkretes Beispiel aus meine Rolle im Maschinenbaukonzern. Für die technischen Bereiche in denen es in die Maschinenintegration gegangen ist haben wir z.B. auf Continous Deployment verzichtet. Bei physischen Maschinen, die von Menschen und im Umfeld von Menschen bedient werden geht es eben auch um Arbeitssicherheit. In diesen Bereichen haben wir ganz bewusst auf klassische Abnahme- und Releaseprozesse gesetzt. Trotzdem haben wir viele moderne Praktiken eingesetzt. Wir haben kontinuierlich integriert. Wir haben auch in Bereichen der Hardwareintegration Testautomatisierung betrieben und hatten so kontinuierlich eine Regression. Das Release auf Produktion musste jedoch erwiesenermaßen fehlerfrei sein ist daher durch einen intensiven Abnahmeprozess inklusive mehrwöchigem Testbetrieb in kontrollierter Umgebung gegangen. Für reine Frontend/Webapplikationsthemen haben wir natürlich nicht so schwergewichtige Prozesse genutzt. Daher gilt auch hier – miteinander reden, Bedürfnisse verstehen und der Situation angepasste Lösungen finden.
Was möchtest Du abschließend den Zuhörerinnen und Zuhörern noch mitgeben?
Feel the Fear and do it anyway. Veränderung braucht Mut und es braucht Tatkraft. Es braucht Mut Dinge anzupacken – auch gegen Widerstände. Es braucht Mut die potentiellen Konsequenzen zu tragen. Doch wer etwas will findet Wege, wer etwas nicht will findet Ausreden. Also findet Wege für die Veränderung.