Der Scrum Master & das Umfeld des Scrum Teams

Der Scrum Master & das Umfeld des Scrum Teams

GEMEINSAMER ARTIKEL mit Mike Leber

Dieser Artikel ist im Pair-Writing mit Mike Leber von Agile Experts (agileexperts.at) entstanden.
Lieber Mike, vielen Dank für den tollen Austausch!

Eine neue Arbeitsweise und die Einbindung des Umfeldes

Damit wir uns zu neuen Herausforderungen besser aufstellen, wollen wir Scrum als Rahmen für diesen Wandel nutzen. Nur wenn sich durch Scrum signifikant etwas in unserer Arbeitsweise ändert, haben wir überhaupt eine Chance signifikant bessere Ergebnisse zu erreichen. Das Selbe tun und auf andere Ergebnisse hoffen, hat sich bisher kaum bewährt. Aus der geänderten Arbeitsweise ergeben sich Veränderungen in unserer Interaktion mit unserer Umwelt. Wir wollen in Scrum größere Freiheitsgrade im Sprint nutzen, um in Eigenverantwortung schnellere Entscheidungen in der Ausgestaltung des Produktes zu treffen und passgenaue Zwischenstände für den Austausch mit dem Umfeld nutzen. Daraus entstehen naturgemäß Reibungspunkte mit bestehenden Strukturen, Festlegungen und Vereinbarungen einer Organisation. Möglicherweise werden bisherige Grundannahmen in Frage gestellt.

Die Einführung agiler Arbeitsweisen geht immer auch mit den Erwartungen, aber auch Befürchtungen dessen, was sich daraus ergibt, einher. Nur wenn wir diese proaktiv angehen, haben wir die Chance eine wirklich gute Scrum Umgebung aufzubauen und viele dieser Themen in einem frühen überschaubaren Stadium aufzulösen. 

Naive Annahmen in der Einführung von Scrum und das Lernen aus den ersten eigenen Erfahrungen

Scrum wird wie viele agile Herangehensweisen mit hehren Zielen aus der Prägung der bisherigen Arbeitsweise eingeführt. Oft wird dabei vergessen, wie viel wir aus unseren Erfahrungen in diesem neuen Vorgehen lernen, um die Herausforderungen wirklich aufzuarbeiten. 

Vielerorts sind zu Beginn einer Initiative Erwartungen zu hören und bisher erlebte Mängel zu beseitigen. Da spricht Management dann schon mal davon, dass mit dem Vorgehen nach Scrum alles schneller werden würde, sich die Kommunikation im Team verbessern und die Qualität der Deliverables steigern soll.

Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, was mit dem neuen Vorgehen keinesfalls geschehen solle: Beispielsweise hat der Product Owner auf Grund der Branche oder der Einschätzung der Kundenbeziehung womöglich nur Stellvertreterfunktion (“Proxy”). 

Mitglieder des Entwicklungsteams sollen nicht direkt mit Kunden sprechen. Und bestimmte Aufgaben rund um die Produktentwicklung liegen sowieso in einem anderen Bereich. Und blicken wir in eine beispielhafte Kundenorganisation, so machen sich dort womöglich die unmittelbaren Projektpartner mit hoher Motivation an die Sache, erfahren ihre Einschränkungen aber nicht selten seitens des eigenen Umfeldes (z.B. in Bezug auf Vertragserfordernisse).

Mit derartigen Einschränkungen bleiben auch strukturelle Herausforderungen weiter bestehen und wirken somit auf die Interaktion zwischen Scrum Team und Umwelt. Sie stehen dem Versuch mit neuartigen Herangehensweisen die Wirksamkeit der Produktentwicklung zu maximieren, naturgemäß entgegen. 

Welche Strategien bieten sich dazu an? Ignorieren, Akzeptieren, Widerstand leisten oder schlichtweg frühzeitig proaktiv thematisieren. In einer effektiven Scrum Umgebung nutzt man das frühe Schaffen von Transparenz zum proaktiven Thematisieren und Bearbeiten von Reibungspunkten.

Was bedeutet Umfeld einer Scrum Umgebung?

Die Ermittlung möglicher Reibungspunkte bedarf der individuellen Betrachtung in der jeweiligen Umgebung. Dafür bieten die folgenden Kategorien eine erste Orientierungshilfe. Erfahrungsgemäß treten gerade diese Themen immer wieder als erhebliche Blockade für das neuartige Arbeiten in Erscheinung. Der möglichst frühe Blick darauf bietet somit eine Fundgrube an Herausforderungen aber auch an Möglichkeiten.

  1. Das Führungssystem
    Eine Maximierung der Autonomie eines Scrum Teams wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehende Festlegungen in Bezug auf die Organisation und Annahmen über Machtverhältnisse in Frage stellen. Mitarbeiter in Führungsposition können die Entwicklung eines Scrum Teams ermöglichen, explizit fördern, aber auch be- oder gar verhindern.
  2. Die Linienorganisation
    Die bestehende Verteilung der Verantwortlichkeiten in einer Organisation steht im Widerspruch zu deren Bündelung in einem autonomen Scrum Team, z.B.
    1. die Aufstellung der Produktbereiche
    2. Management größerer Programme und Projekte
    3. die Zielsetzung im Vertrieb
    4. bisherige Praktiken zu SLAs in einer IT-Betriebsorganisation
  3. Das Finanzsystem
    Das Finanzsystem repräsentiert das Rückgrat jeder Organisation. Deren Vorgaben oder auch erteilten Freiräume in Bezug auf Ziele, Budgets, Prozesse oder Kennzahlen stehen häufig der benötigten Flexibilität einer Scrum-Initiative entgegen.
  4. Das Personalwesen
    Die selbstorganisierte Struktur des Scrum Teams stellt eine Vielzahl an Personalthemen zur Diskussion:
    1. die Definition bisheriger und neuer Rollen
    2. fortwährendes Lernen, Karriereentwicklung
    3. die Weiterentwicklung des Führungssystems
    4. die Teamentwicklung 
    5. oder gar die ganzheitliche Organisationsentwicklung
 

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Fragen

Warum schaut der Scrum Master auf das Umfeld? Ist das nicht Aufgabe des Product Owners?

Im Scrum Team besteht eine bewußte Gewaltenteilung zwischen den Rollen des Entwicklungsteams, des Product Owners und des Scrum Masters. Der Product Owner konzentriert sich auf die Wertoptimierung des Produktes, das Entwicklungsteam auf die Schaffung nachhaltiger Lösungen und der Scrum Master auf die optimale Nutzung von Scrum für unsere Ziele. 

Durch den dedizierten Blick des Scrum Masters auf das Scrum Team und sein Umfeld stellt er sicher, dass wir eine gute ganzheitliche Aufstellung haben und wichtige Aspekte nicht aus dem Blick verlieren.

Die Arbeit mit dem Umfeld spielt eng zusammen mit folgenden Handlungsfeldern des Scrum Masters:

 

In der Arbeit des Scrum Masters mit dem Umfeld sind zwei Aspekte wesentlich:

  • Einblick, gemeinsames Verständnis und Transparenz in Bezug auf die treibenden Kräfte, die auf das Gesamtsystem „Scrum Team“ und dessen Arbeit wirken
  • Interaktionsmuster mit denen wir gemeinsam effektiv aus unterschiedlichen Motivationen gute Handlungen ableiten können.
 

Ansatzpunkte bei der Arbeit mit dem Umfeld

Scrum löst kein Problem. Es versucht Probleme sichtbar zu machen und schafft Gelegenheiten, diese zu bearbeiten. Damit die Auflösung von Hindernissen positiv angegangen wird und als Gelegenheit zur Optimierung der ganzen Organisation gesehen wird, sollte beim Start ein Teil des Erwartungsmanagements, wie Scrum uns Hilft uns zu optimieren mit ausgearbeitet werden.

Um aus den aktiven Erfahrungen der ersten Sprints gemeinsam die Insights und Anstöße in der Organisation aufzuarbeiten, sind freie Formate ohne feste Agenda, wie Open Space Technology, ein geeignetes mittel die Plattform für diesen Austausch zu schaffen. 

In der Einführung von Scrum werden viele Reibungspunkte in der Organisation sichtbar. Diese können auf Basis der Interaktions- und Strukturmuster von Sociocracy 3.0 aufgegriffen und für das organische Wachstum der Organisation hin zu einer ganzheitlichen agilen Aufstellung genutzt werden.

Was hält uns zurück? Wieso lassen sich bestimmte Aspekte aktuell nicht oder nur sehr schwer umsetzen. Kurz Levin hat zu diesem Zweck die Force Field Analyse (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftfeldanalyse) entwickelt, in der die unterstützenden Kräfte und die uns zurückhaltenden Kräfte herausgearbeitet werden und nach Lösungen gesucht wird die Blockaden aufzulösen.

Wir haben alle unsere Vorurteile. Perspective Mapping aus Lean Change (siehe https://blog.leanchange.org/2015/05/perspective-mapping-in-the-enterprise/) kann helfen, unterschiedliche Anspruchsgruppen und deren Bedürfnisse besser einzubeziehen und zu verstehen. Daraus lassen sich zielgerichtete Maßnahmen für ein Arbeiten in gemeinsame Zielrichtungen ableiten.

Am Ende bietet es sich an, allen beteiligten Stimmen eines Systems Gehör zu verschaffen. Denn eine isolierte Betrachtung einzelner Systemelemente (z.B. Organisationseinheiten) würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Suboptimierung des Gesamtsystems führen. Mögliche Zweifler oder vermeintliche Gegner unserer Scrum-Initiative werden durch dieses Vorgehen zu Beitragenden für zusätzliche wertvolle Einblicke.

Ein gut moderierter Deep Democracy Workshop (siehe: https://www.deepdemocracyinstitute.org nach den Konzepten von Armin Mindell wird dann nicht nur unterschiedliche Positionen zu Tage fördern, sondern vor allem die Gelegenheit zu gemeinsamen Lernen und der Gestaltung von Folgemaßnahmen schaffen.

Fazit

Wenige Organisationen sehen die Tragweite der Rolle des Scrum Masters in Bezug auf das Umfeld des Scrum Teams. Unser Zusammenspiel mit der Umwelt gerät leicht aus dem Blick. Die agile Arbeitsweise reduziert sich auf das Scrum Team und verkommt zur agilen Insel. Frustrierende Reibungspunkte an den Schnittstellen bleiben bestehen. 

Wir verwalten den Status Quo, anstatt übergreifend in der Organisation zu optimieren. Damit der Scrum Master auf das Umfeld wirken darf, müssen wir die beteiligten Personen vom Sinn hinter der Rolle überzeugen.
Am Besten lässt sich der Scrum Master aus dem Kontext in dem wir Scrum nutzen motivieren:

  • Was wollen wir mit Scrum erreichen?
  • Warum tun wir uns bisher schwer dies zu erreichen? 

Da wo wir uns schwertun, liegt der Schwerpunkt der Arbeit eines Scrum Masters. Aus diesem Bewusstsein gestalten wir mit dem Umfeld die Rolle aus und leisten einen Beitrag, damit Scrum funktioniert.

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Ralf Kruse