Auch wenn das Thema Gaia-X nur im zweiten sehr großzügigen Blick einen Bezug hat zu Scrum, war es mir sehr wichtig dazu eine Folge mit Ralf Neubauer von der MSG aufzunehmen, weil ich dieses Thema endlich mal etwas besser greifen wollte.
Ralf, danke für diesen tollen Austausch!
Ich wünsche euch viel Spaß
Unser Gast - Ralf Neubauer
Ralf Neubauer, Projektmanager und Berater bei der msg group in Ismaning. Seit mehr als 20 Jahren begeistern mich aktuelle Trends und Technologien in der IT und der Softwareentwicklung. Mein Fokus liegt dabei immer auf der Frage wie ich damit den besten Mehrwert für meine Kunden erzeugen kann – Technologie ist für mich kein Selbstzweck. Ich bin Pragmatiker, kein Fanatiker. Bei msg begleite ich unsere Themen rund um souveräne Datenökosysteme, weil ich dran glaube, dass die digitale Wertschöpfung der Zukunft in Netzwerken stattfinden wird.
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von play.libsyn.com zu laden.
Was ist Gaia-X überhaupt?
Gaia-X möchte die Grundlage bereitstellen für ein offenes, transparentes und sicheres Ökosystem für den Austausch von Daten und Diensten. In diesem Ökosystem sollen sich die Teilnehmer auf Augenhöhe begegnen können. Gaia-X wurde als europäische Initiative ins Leben gerufen, beschränkt sich aber nicht nur auf europäische Teilnehmer – was in einem globalen Markt auch keinen Sinn machen würde.
Warum braucht Europa so etwas wie Gaia-X?
Mittlerweile haben die Unternehmen verstanden, dass Daten und Informationen wertvoll sind. Wenn wir uns aber ansehen, wer dieses Geschäft mit den Daten im globalen Vergleich dominiert, stellen wir fest, dass Europa im Hintertreffen ist. Vergleicht man die Marktstärke bezogen auf digitale Dienste und Daten, liegen die USA ganz weit vorne, gefolgt von Asien. Um noch genauer zu sein, sind es die einzelnen Tech-Giganten, die diese Daten in ihren zentralistischen Plattformen besitzen und monetarisieren. Genau hier will Gaia-X ein Gegengewicht schaffen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Wirtschaft in Europa viel stärker auf mittelständischen Unternehmen basiert. Die Lösungen müssen für diese Unternehmen niederschwellig sein und gleichzeitig muss sichergestellt werden können, dass zum Beispiel regulatorische Anforderungen erfüllt werden.
Warum ist der Austausch von Daten für Unternehmen so wichtig?
Gartner rechnet damit, dass Unternehmen die Daten über Unternehmensgrenzen hinweg, mit externen Partnern austauschen dreimal besser performen als die Unternehmen, die das nicht tun. Unsere Wirtschaft entwickelt sich mehr und mehr zu einer Netzwerk-Ökonomie, viele Herausforderungen und Chancen können nur durch einen übergreifenden Austausch adressiert oder genutzt werden. Für viele Unternehmen ist das noch eine Herausforderung, scheitern sie doch oft schon allein am internen Austausch von Daten.
Was hindert Unternehmen heute daran sich mehr auf einen externen Austausch von Daten einzulassen?
Viele Unternehmen sind verunsichert. Sie haben Angst durch die Bereitschaft eigene Daten oder auch eigenes Knowhow zu teilen wirtschaftlich übervorteilt zu werden. Auch gibt es Angst, dass die bereitgestellten Daten zum eigenen Nachteil genutzt werden könnten, z.B. im Fall von Maschinendaten die gegebenenfalls Rückschlüsse auf Gewährleistungsansprüche zulassen.
Wie hilft Gaia-X dabei?
Ein wesentliches Kernelement von Gaia-X ist die Souveränität der einzelnen Beteiligten hinsichtlich ihrer Daten und Dienste. Souveränität heißt hier, dass ich als Besitzer von Daten selbstbestimmt, unabhängig und vollständig über die Weitergabe und Nutzung meiner Daten entscheiden kann. Gaia-X stellt die Möglichkeiten zur Verfügung, dies auch technisch abzusichern. Verträge allein können das nicht sicherstellen, z.B. wenn sie regulatorischen Einschränkungen unterliegen.
Wie muss man sich Gaia-X technisch vorstellen?
Gaia-X stellt technisch gesehen eine zusätzliche Abstraktionsebene über den Cloud-Diensten der traditionellen Hyperscaler wie AWS oder Microsoft Azure zur Verfügung. Damit wird auf Infrastrukturebene sichergestellt, dass Interoperabilität und die Sicherheit der Daten gewährleistet bleiben. Zu einem offenen Ökosystem gehört aber noch mehr: Man braucht die Möglichkeit die gewünschten Datenangebote und Dienste zu finden, das wird zum Beispiel über Selbstbeschreibungen und einen Katalog gelöst. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass nur berechtigte Teilnehmer meine Daten und Dienste nutzen können. Das heißt ich muss in der Lage sein, Identitäten und Berechtigungen überprüfen zu können. Gaia-X setzt dafür auf offene Standards und Open Source.
Welche Herausforderungen ergeben sich für Teams, die Lösungen auf Basis der entstehenden Ökosysteme erstellen?
Man muss sich klar machen, dass man nicht mehr allein alle Lösungselemente unter Kontrolle hat. Wir sprechen hier über dezentrale Netzwerke mit verteilter Leistungserbringung. Das wird sich in der Organisation der Teams widerspiegeln. Sie werden verstärkt über Unternehmensgrenzen hinweg an gemeinsamen Lösungen arbeiten und die dafür benötigten Strukturen ausprägen müssen. Das wird zu Herausforderungen führen, wenn verschiedene Unternehmenskulturen aufeinandertreffen. Einen Vorgeschmack bekommt man, wenn man in einem der vielen Förderprojekte zusammenarbeitet. Hier werden Lösungen teilweise mit 15-20 verschiedenen beteiligten Partnern erstellt.
Gibt es schon praktische Anwendungsfälle?
Eines der größten Vorhaben, ein auf Gaia-X Prinzipien basierendes eigenes Ökosystem für eine ganze Branche aufzubauen, ist Catena-X. Catena-X will nichts anderes als gesamte automobile Wertschöpfungskette abzubilden, über alle Ebenen. Dabei handelt es sich nicht um ein Experiment. Man möchte bereits im Jahr 2022 mehr als 1000 Partner integriert haben. Umgesetzt werden hier zunächst Lösungen im Bereich Teilerückverfolgbarkeit, Transparenz in der Lieferkette oder Kreislaufwirtschaft.
Logistik und Distribution könnten ebenfalls spannende Anwendungsfälle sein. Wir haben in der Pandemie gelernt, dass wir Probleme bekommen, wenn wir uns zu sehr auf stabile Lieferketten verlassen. Lieferketten müssen dynamisiert werden und flexibel anpassbar sein. Und spätestens wenn ich über eine solche Dynamik mit N:N Verbindungen zwischen den Teilnehmern spreche ist die klassische EDI Schnittstelle als Punkt zu Punkt-Verbindung am Ende.