Grundsätzlich ist es ja gut, dass Scrum Master und Agile Coaches für Scrum, Kanban, OKRs, Design Thinking oder sonst irgendeine Methode brennen. Wir sollten aber aufpassen, dass wir und unsere Führung Scrum so nicht von Anfang an falsch positionieren. Genau dieses Problem einer falschen Positionierung von uns als Scrum Master oder Agile Coach, sowie von der agilen Herangehensweise deiner Wahl scheint mir sehr verbreitet zu sein. Dies ist mir im Austausch in unserem Online Programm für Scrum Master und Agile Coaches besonders klar geworden, wo die plakative Aussage herkommt „Hör auf Scrum zu verkaufen!“.
In dieser Folge möchte ich einmal aufarbeiten, was ich mit dieser falschen Positionierung meine und wie man daran arbeiten kann Scrum und sich selber besser zu positionieren.
Was ist der Kern von Scrum?
Scrum ist ja nicht spektakulär kompliziert, sondern eigentlich ganz einfach.
In Bereichen, wo wir mit planvollen arbeitsteiligen Herangehensweisen an unsere Grenzen stoßen, können wir Scrum als Rahmen nutzen und uns mit den beteiligten Personen als Team zusammenraufen. Wir stellen uns auf, zügig und regelmäßig belastbare Ergebnisse zu liefern. Dies gibt uns die Möglichkeit aus der Ausgestaltung des Produktes und unserer Arbeitsweise weiter zu lernen. Wie gesagt, eigentlich ganz einfach. Es funktioniert aber nur, wenn wir als Gruppe anfangen unsere Umgebung gemeinsam auszugestalten. Was dabei übrigens gleichzeitig kein Problem ist, ist das eure Aufstellung beim Start optimal ist.
- Nein, in einem Team muss nicht jeder von Anfang an alles können und das ist auch in den meisten Umgebungen nicht erstrebenswert
- Nein, ein Tool set up muss auch noch nicht definiert sein
- Nein, der Kunde muss auch noch nicht verstanden haben, was agile Arbeitsweise bedeutet
- Nein, die beteiligten Personen müssen nicht perfekt zusammenarbeiten können oder nur eure Top Performer sein
Ich könnte die Liste länger machen, aber ihr versteht das Muster. Wir wollen aus unserer Umgebung lernen und alles vorher gut aufgestellt sehen. Aber dieser Ansatz ist eigentlich nur der Rückfall in planvolle sequentielle Herangehensweisen. Das machen viele. Vielleicht auch du, aber das ist normal im Change und da sollten wir nicht so hart mit uns sein.
Wichtig ist nur, dass die beteiligten Personen gemeinsam ihre Herausforderungen soweit verstanden haben, dass man sich zusammenrauft und gemeinsam diesen Rahmen für eure Zwecke ausgestaltet.
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Montag
15.05.
18:15-20:00
Was läuft in dieser Richtung schief?
„Vorschläge“ Scrum zu nutzen, die keine sind oder der Konzernweite Roll-Out von Agilität setzen hier einen anderen Ton. Das Problem, was wir angehen wollen, ist nicht verstanden und es wird aber schon einmal die Lösung eingeführt. Wie sollen sich so die beteiligten Personen aufgefordert fühlen Scrum als Herangehensweise für ihre Herausforderungen anzunehmen und auszugestalten?! Es resultiert in den meisten Organisationen weniger in Widerstand, sondern mehr in Passivität und Gleichgültigkeit.
„Für Scrum braucht man das richtige Mindset“
Mit solchen Worten wird gerne diese Passivität kommentiert und das frustriert mich. Die jeweilige Haltung der Mitarbeiter ist geprägt aus der bisherigen Arbeitsweise. Wie soll da für eine neue Methode ohne sie zu kennen ein passendes Mindset vorliegen? Das entwickelt sich aus dem Tun und der Erfahrung! Deswegen stellt sich hier eher die Frage, wie haben wir die Kollegen bei der Nutzung einer neuen Methode so auf dem falschen Fuß erwischt, dass diese so reagieren? Wenn du eine Idee bekommen möchtest, wie aus dem Tun das passende Mindest entsteht. Hör mal in die Beiersdorf-Folge rein. Hier berichten Henrik und Funda von ihren Erfahrungen mit Scrum und wie wir es eingeführt haben. Diesen Vortrag hatten wir vorher auf dem New Work Festival von Beiersdorf vorgestellt. Dabei ist mir aufgefallen, dass ganz viele Vorträge über Werte und Mindset sprechen. Wir haben eigentlich gar nicht drüber gesprochen, wir hatten aber einen Rahmen geschaffen in dem genau dieser Spirit gewachsen ist.
„Wir haben nicht die Kollegen für diese Arbeitsweise“ oder „Wir müssen die Maturität der beteiligten Personen in der Ausgestaltung berücksichtigen“
Genauso wird aus solcher Passivität beim Start geschlussfolgert, dass unsere Kollegen noch nicht reif genug sind für diese Arbeitsweise. Auch diese Aussage deckt sich sicher nicht mit meiner Erfahrung. Gut aufgestellt und gut gestartet, schaffen wir einen Rahmen in dem sich die Kollegen zusammenraufen und es dann aufbauend unglaublich beeindruckend ist zu sehen, wie diese sich weiter entwickeln. Es ist zu einfach solche Dysfunktionen alleine auf die beteiligten Mitarbeiter abzuwälzen, nur weil man die Kollegen am Anfang auf dem falschen Fuss erwischt hat und es nicht geschafft hat Scrum als befähigenden Rahmen zu etablieren. Eine so gestartete Umgebung wird niemals gut werden!
So wie oben dargestellt gestartet, wird Scrum vielleicht oberflächlich genutzt. Aber das es hier jetzt wirklich als Werkzeug für unsere Herausforderungen von den beteiligten Personen genutzt wird, habe ich dabei selten gesehen. Man kann diesen Zustand von Scrum hier eher als Scrum Theater beschreiben. Womit weder der Organisation noch den beteiligten Personen geholfen ist. Mal ehrlich was lastet dich als Scrum Master aus? Bist du damit beschäftigt, die loosen Enden Ständig als „Kümmerer“ zusammenzuhalten? Wenn ja, bist du nicht alleine, viele Scrum Master müssen so agieren. Dich jetzt mit Helikopter Eltern zu vergleichen oder nicht ganz genderneutral als Scrum Mutti zu bezeichnen, wird dich dabei frustrieren und wird dir keinen Ausweg aufzeigen.
Wenn du selbst zu der Erkenntnis kommst, das unser Scrum unseren Ansprüchen in diesem Setup so niemals gerecht wird und du eher damit beschäftigt bist diesen Status Quo durch deine administrative Unterstützung am Leben zu erhalten. Dann bist du auf einem guten Weg. Ich habe versucht dir in einigen Podcast-Folgen Podcast-Folgen, Webinaren und vor allem in der Übersicht für Scrum Master einige Ansatzpunkte aufzuzeigen. Meine Hoffnung ist, dass dies euch schon so einige Anregungen gibt, hier was zu ändern. Falls du aber feststellst, du kommst aus dieser Tretmühle alleine nicht raus, dann such dir bitte Unterstützung. Viele schaffen es alleine nicht diesen Punkt aufzulösen und nach meinem Verständnis ist es ein Zeichen der Stärke sich Hilfe zu holen, statt den Status Quo einfach weiterlaufen zu lassen.
Was es oft verstärkt:
- Das überladen von Scrum mit abgefahrenen Techniken
- Mechaniken „richtig“ zu machen … „Im Scrum Guide steht“ „Bei Spotify machen die das so“
- Als Vordenker die Umgebung ausgestalten
- „Wie bringe ich sie dazu in meiner Retro sich aktiver Einzubringen“
So, es hat Spass gemacht, den Problemkontext zu umreißen. Wie gesagt, er ist weiter verbreitet als wir manchmal wahrhaben wollen. Jemand der sich hier wieder findet und daraus vernünftige Schlüsse zieht, ist kein Nestbeschmutzer sondern jemand der als moderne Führungskraft seiner Umgebung helfen will. Bleibt aber die Frage offen: Wie können wir Scrum ohne es zu verkaufen effektiver starten, so dass es wirklich genutzt wird, um unsere Herausforderungen anzugehen?
Ansatzpunkte
Scrum ist ein Werkzeug! Positioniere es als Solches. Arbeite daran dieses Werkzeug im passenden Kontext so zu nutzen, dass es euch hilft bessere Ergebnisse zu erreichen. Positioniert euch nicht als der Treiber oder „Kümmerer“. Schafft die Klarheit aus der heraus die Gruppe dieses Werkzeug nutzen will.
- Warum wollt ihr überhaupt anders arbeiten? Wie kann Scrum uns dabei helfen unsere neuen Herausforderungen zu adressieren oder unseren Ambitionen gerecht zu werden
- Scrum als minimalen Lernrahmen etablieren, aus dem wir gemeinsam Produkt und Arbeitsweise ausgestalten
- Die Grundprinzipien (nicht jedes Tool und jede Mechanik) vorher verstehen, im geschützten Raum erleben, um den Start mündig mit den beteiligten Personen auszugestalten
- bewußt Imperfekt starten, damit wir diese gemeinsame Ausgestaltung weiter leben
- Bei Neuerungen möglichst darauf achten, dass man erstmal einfach Sachen ausprobiert. Daraus schaut man dann, ob es trägt und dies dann gemeinsam aus der Erfahrung ausweiten
- Sich als Scrum Master so positionieren, dass ihr aus den geteilten Herausforderungen der Teilnehmer bedarfsgerecht unterstützt. Also weder als agiler Prediger noch als Scrum Polizei agiert
- Als Scrum Master unterstützt ihr aber so, dass auch ihr in den Urlaub gehen könnt und die anderen Personen eure Punkte übernehmen
- Dazu gehört für mich auch die Feedback-Zyklen fordernd zu nutzen (Back-Briefing im Review, Erwartung zum Ausblick im Planning an den PO)
- Bei Problem und Kritik die angestrebte Ambition und die Herangehensweise von Scrum als Orientierung nutzen
In dieser Folge wollte ich aufzeigen, dass ein aufgezwungenes Scrum, was von euch künstlich am Leben erhalten wird keinem hilft. Nicht eurer Umgebung. Nicht den Mitgliedern, die sich fragen, warum wir denn jetzt diese hippe Methode machen müssen und nicht euch, die ihr mehr damit beschäftigt seit, die Umgebung für die anderen zusammen zuhalten und so kaum wirklich helfen könnt.
Ich hoffe die dargestellten Ansatzpunkte geben dir eine Idee, wie wir zu einer besseren Scrum Umgebung kommen. Wobei in vielen Umgebungen dieses Vorgehen nicht nur neu ist, sondern fast schon das Gegenteil wie bisher gearbeitet wurde. Das ist per Definition alles andere als trivial. Falls du dich mal dazu austauschen möchtest, wie wir in solchen Fällen dir und deiner Organisation helfen können, buch dir gerne über den Link einen 20-minütigen Termin. Würde mich freuen, wenn ich über diesen Weg mit dem ein oder anderen von euch ins Gespräch komme.